"Ich muss alles allein schaffen!" Dieser und ähnliche Sätze bekam ich in der letzten Zeit recht häufig zu hören. Von Freunden, entfernten Bekannten aber auch von mir selbst. Meine Psychoonkologin brachte mich während einer vergangenen Sitzung darauf, das dieser Glaubenssatz auch in mir noch tief verankert ist. Also habe ich ihn mal in einer WORK genauer betrachtet.
Zunächst sann ich darüber nach, in welcher Situation ich diesen Gedanken hatte und mir fiel sofort die Situation im Jahr 2010 ein, als ich das erste Mal wegen meiner psychischen Erkrankung in der Klinik war. Damals sind viele Menschen, die ich vorher für Freunde gehalten hatte, weggebrochen. Und letztlich kann man diese Situation auch auf die jetzige übertragen, denn auch seit meiner letzten Diagnose habe ich einige wichtige Bezugspersonen und Freunde verloren, weil sie nicht mit der Erkrankung zurecht kommen. Ich kann ihnen keinen Vorwurf machen, aber es tut weh. Sehr weh. Doch bedeutet das automatisch, das ich alles allein schaffen muss?
Ist das wahr?
Seit ich mich intensiv mit dieser Methode beschäftige, taucht die erste Frage meist ganz automatisch auf und ich muss schon schmunzeln.
JA, in dem Moment, in dem ich diesem Gedanken Glauben schenke, ist es wahr. Und es fühlt sich auch so an.
Kann ich absolut sicher sein, das es wahr ist?
NEIN, das habe ich instinktiv schon bei der Beantwortung der ersten Frage gespürt. Denn von 2010 bis heute sind so viele andere wunderbare Menschen in mein Leben getreten. Einige haben mich ein Stück begleitet, andere sind geblieben und wieder andere sind gerade noch im Kommen. Fakt ist, ich war nie allein - es war und ist immer jemand da. Und ich habe sogar Unterstützung von völlig fremden Leuten erfahren, die sofort nicht mehr fremd waren.
Wie fühlt es sich an, wenn ich glaube, alles allein schaffen zu müssen?
Die Welt erscheint mir kalt, herzlos und unfreundlich. Ich selbst fühle mich hilflos, einsam und im Stich gelassen. Verletzt, wütend und traurig. Ich ziehe mich zurück und mache es anderen damit schwerer, an mich heranzukommen und mir helfen zu können. Ein Teufelskreis.
Wie wäre es ohne den Gedanken?
Ohne diesen Gedanken lebe ich in einer Welt voller Unterstützung. Sie ist warm, herzlich, liebevoll. Und ich bin nicht mehr abgeschnitten, hilflos und allein. Ich kann um Hilfe bitten und wenn der Erste ablehnt auch noch den Nächsten und den Übernächsten fragen. Mir haben auch schon viele - zum Teil fremde Leute - von sich aus Hilfe angeboten. Wie schön ist das. Viele von uns sind überzeugt davon, das wir heute in einer Welt leben in der jeder nur sich selbst der Nächste ist, doch ich durfte auch andere Erfahrungen machen, für die ich sehr dankbar bin.
Was hält uns davon ab, um Hilfe zu bitten? Für mich kommen da einige Gedanken zusammen:
- Andere könnten von mir denken, ich würde alleine nicht klar kommen
- mein Gegenüber erwartet eine Gegenleistung dafür
- es ist peinlich für mich, wenn meine Bitte abgelehnt wird
Habt ihr Schwierigkeiten um Hilfe zu bitten? Wenn ja, was hält euch davon ab? Schreibt's mir gern in die Kommentare!
Seid lieb gegrüßt
Steffi
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Morlin (Freitag, 27 Juli 2018 13:08)
Interessanter Artikel.
Mir persönlich fällt es auch sehr schwer, mich gegenüber problematischen Themen zu mir zu öffnen. Denke dann, dass ich mich zum Opfer mache.
Sarah (Freitag, 27 Juli 2018 14:32)
Mir fällt es schwer, um Hilfe zu bitten oder Hilfe anzunehmen, weil ich Angst habe, anderen zur Last zu fallen, dass sie durch mich mehr Aufwand/Arbeit haben und dadurch ihren Gefallen an mir verlieren.